Wo ein Wille ist, ist nicht immer ein Weg
Gleich als ich schwanger wurde, begann ich über das Stillen nachzudenken. Mein Gefühl sagte mir sehr schnell, dass es genau das war, was ich wollte: Meinem Baby die beste Nahrung bieten, ganz auf ihre Bedürfnisse abgestimmt. Ich freute mich schon so sehr auf das liebevolle Miteinander und das Aufbauen eines innigen Bandes mit meinem Baby mitten in der Nacht. Natürlich war ich mir auch der weniger schönen Seiten bewusst. Ich war immer schon untergewichtig und das Stillen verhieß nichts Gutes für die neun Schwangerschaftskilos, die ich glücklicherweise zugenommen hatte. Und obwohl es bedeutete, dass ich bei der Arbeit meine Milch abpumpen müsste und somit in erster Linie für die Ernährung unseres Babys verantwortlich sein würde, war ich fest entschlossen. Eines stand für mich jedoch von Anfang an fest: Es müsste sowohl für mir als auch für unserer kleinen Tochter dabei gut gehen.
Also nahmen mein Freund Jimmy und ich gemeinsam an einem einen Stillkurs via Zoom, ganz bequem von zu Hause, von unserem Sofa aus, teil. Wir waren überzeugt, dass wir damit klarkommen würden, dass wir bereit waren, komme was wolle!
Und dann war sie da
Die Geburt von Kylie verlief wie aus dem Lehrbuch. Das Abenteuer dauert sechseinhalb Stunden. Von der gewünschten Epiduralanästhesie konnte ich nur träumen, aber mein Körper hielt erstaunlich gut durch. Und dann war der Augenblick, an dem wir unsere Tochter begrüßen konnten, endlich da – nach genau 40 Wochen. Ein wunderschönes Mädchen von fast 3.800 Gramm. Und obwohl ich mir fast 40 Wochen lang haben anhören müssen, dass mein Bauch so klein war, hatte der Gynäkologie schon direkt bei meiner Ankunft gesehen, dass eine ganz robuste kleine Dame in meinem Bauch hauste! Unsere geliebte, wunderschöne kleine Tochter Kylie.
Dann wurde sie mir zum ersten Mal an die Brust gelegt. Plötzlich hat man ein wunderbares kleines Wesen an der Brust, während man es noch kaum glauben kann, dass es tatsächlich sein eigenes Kind ist: das allerschönste Wunder, dass man sich vorstellen kann. Die Geburtshelferin des Krankenhauses sagte: „Sie soll ruhig selbst suchen, lassen Sie sie nur machen.“ Dank ihres natürlichen Instinkts erreichte Kylie schließlich das angestrebte Ziel. Die Geburtshelferin versetzte ihr noch einen letzten kleinen Schubs: „Jetzt muss sie ansaugen.“ Kylie versuchte anzusaugen, aber es gelang ihr nicht richtig. Die Geburtshelferin schaute sich sehr genau an, was passierte, also eigentlich, was gerade nicht passierte. Nach ein paar Versuchen wurde Kylie ungeduldig und frustriert, also legte man sie mir zur Beruhigung wieder an die Seite. „Wir versuchen es später noch einmal. Es klappt nicht immer gleich beim ersten Mal; die Kleinen müssen das auch erst lernen,“ sagte man mir.
An diesem Tag lernte ich auch so manches, was mir bis dahin noch völlig unbekannt war, zum Beispiel die „Stillhütchen“. Diese „Hütchen“ machen es einem Baby etwas einfacher, die richtige Stelle zu finden, was das Ansaugen erleichtert. Wir versuchten es immer wieder. Sie saugte zwar an, aber nach zwei, drei Versuchen ließ sie wieder los und fing an, frustriert zu weinen. Wir versuchten es noch ein paar Mal, dann klappte es plötzlich mit dem Ansaugen und sie fing an zu trinken! Was für ein Glücksgefühl! Mir wurde angeraten, sofort mit dem Abpumpen anzufangen. Das würde den Milchfluss anregen und Kylie das Trinken erleichtern. Apropos neue Dinge: Wie eine Art übermotivierte Melkmaschine saß ich da und schaute gebannt nach unten, ob sich schon ein paar Tropfen in der durchsichtigen Flasche angesammelt hatten. In der Zwischenzeit waren alle Untersuchungsergebnisse bei Kylie und mir in Ordnung, so dass wir schon bald nach Hause gehen durften, und damit begann das Wochenbett erst richtig. Wir waren unbeschreiblich glücklich!
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Jetzt HerunterladenDie Tage danach waren kurz gesagt wunderbar und anstrengend zugleich. Alles verlief super, aber Kylie hatte weiterhin Schwierigkeiten beim Ansaugen und gab wiederholt einfach zu schnell auf. Mein Milchfluss verlief leider nicht synchron mit ihrem (Hunger-)Bedürfnissen und das sorgte bei Ihr für Verwirrung und Frustration. Sie weinte immerzu und ich nahm sie immer wieder an die Brust. Ich versuchte, sie zu leiten, ich ermutigte sie und jubelte fast laut los, als es klappte! Aber in unseren ersten gemeinsamen Tagen habe ich auch ein paar Mal mit ihr zusammen geweint, wenn es zum wiederholten Mal auch nach einer halben Stunde noch immer nicht geklappt hatte. Aber glücklicherweise gab es zwischendurch auch Momente, wo es echt zu gelingen schien, und das sorgte dafür, dass ich nicht aufgeben wollte. Diese Male waren genauso wie ich es mir vorgestellt habe: ein warmes, stolzes Gefühl erfüllte meinen ganzen Mama-Körper. Ich konnte sie stillen – was für eine reiche, wundervolle Erfahrung.
Ein Vollzeitjob
Hinter den Kulissen gab es ziemlich viel zu organisieren, aber zum Glück gab es Jimmy, der mir eine unwahrscheinlich große Hilfe und Stütze war. Er sorgte dafür, dass alles glatt lief, dass unser Hund zum Gassi gehen kam, und er fuhr zum x-ten Mal einkaufen, um noch mehr Brustwarzensalbe, weiße Kohlblätter oder andere Sachen, die die Hebamme und ich ständig anforderten, zu besorgen. In den ersten drei Tage, musste ich unser Baby alle drei Stunden stillen. Auf Anraten von sowohl der Hebamme als auch meinen Geburtshelfern versuchte ich bei jeder Fütterung erstmal, Kylie zu stillen. Wenn das (wie meistens) nach 10 Minuten nicht klappte, bekam Kylie Babynahrung oder zuvor abgepumpte Muttermilch aus der Flasche. Um ihr beizubringen, besser von der Brust zu trinken, haben wir neben dem Fläschchen auch vor allem versucht, sie mithilfe von „Fingerfeeding“ zum Trinken zu bringen. Bei dieser Technik spritzt man ein bisschen Muttermilch (mit einer Spritze) in den Mund seines Babys und hält gleichzeitig dem Baby die Kuppe des kleinen Fingers hin, damit das Baby daran saugen kann. Dieser Vorgang ist dem Stillen nachempfunden und kann dem Baby dabei helfen, das Saugen besser in den Griff zu bekommen. Manchmal hat mein Freund das zusammen mit der Hebamme gemacht, wenn diese noch da war. Abends haben wir das zu zweit gemacht. Und in der Zwischenzeit (oder danach) setzte ich mich an die Abpumpmaschine, und pumpte endlos und beharrlich los. Schon sehr schnell stellten sich die ersten Risse in meiner empfindlich Haut ein. Aber ich dachte mir, „Zähne zusammenbeißen, du schaffst das schon.“

Und bis dann Kylie (und die Abpumpmaschine) satt bzw. voll war(en), waren schnell anderthalb Stunden vergangen. Und eine Stunde später konnten wir dann schon wieder alles für die nächste Runde vorbereiten. Zwischendurch (sprich: um halb 3 Uhr morgens) verzehrte ich vor lauter Hunger schachtelweise Müsliriegel.
Ich befand mich in einem Stillmarathon, ohne mich darauf vorbereitet zu haben.
Dunkelgraue Wolke
An Tag 4 des Wochenbetts hatte sich noch nicht viel geändert. Kylie tat zwar ihr Bestes, aber sie schaffte es einfach nicht, sich an der Brust festzusaugen. Also war jeder Stillvorgang auch begleitet von Flaschennahrung und Abpumpen, immer wieder Abpumpen. Dann stellte sich die erste Brustentzündung ein. Ich hatte Fieber mit einer erhöhten Temperatur von ca. 39 °C, fühlte mich elend, hatte Schmerzen, war todmüde und von Schweben auf einer rosa Wolke konnte gar keine Rede sein. Am Ende des Tages fragte mich die Hebamme: „Willst du weitermachen? Denn ich habe noch eine Reihe anderer Optionen, die wir ausprobieren können. Wenn du weitermachen möchtest, dann können wir das alles gemeinsam vorbereiten. Es könnte sein, dass bei Kylie in ein paar Tagen der Groschen fällt, dass dein Milchfluss mehr synchron wird mit dem Trinkbedarf deines Babys und dass dann alles wirklich glatt läuft. Es kann aber auch sein, dass in zwei Wochen noch alles so ist wie jetzt. Ich könnte es daher auch verstehen, wenn du aufhören willst.“ Aber ich war hartnäckig und beharrlich: „Wir machen weiter. Ich weiß nicht, wie lange ich noch weitermachen kann, aber solange es geht, will ich es probieren.“
Mit dem Stillen aufhören oder nicht?
An diesem Abend blieb ich eine Weile unten, und Jimmy und ich wärmten zusammen einen Teller Makkaroni in der Mikrowelle auf. Es war ein schöner Augenblick an diesem Tag, denn tagsüber verbrachten Jimmy und ich die meiste Zeit getrennt voneinander: Er kümmerte sich unten um alles, und ich war wegen der langen und häufigen Stillzeiten meistens oben. Wir haben über das, was mir die Hebamme kurz vor dem Gehen gesagt hat, gesprochen. Während ich meinen Teller aus der Mikrowelle nahm, fragte Jimmy ganz vorsichtig: „Habe ich dabei ein Mitspracherecht?“ Er schaute mich mit einem besorgten, traurigen Blick an, und ich wusste, was er meinte: eigentlich konnte es so nicht weitergehen. Ich fühlte es, er fühlte es und Kylie sicher auch. Ich brach in Tränen aus und danach haben wir ein langes Gespräch geführt, zusammen geweint und einander umarmt. „Es ist deine Entscheidung. Ich kann dir das nicht abnehmen, aber ich finde es schrecklich zu sehen, wie du und Kylie euch plagen müsst,“ sagte Jimmy. Und obwohl ich mir schon zuvor gesagt habe, dass es Mutter und Kind beim Stillen gut gehen muss, konnte ich den Wunsch, weiterzumachen, nicht einfach loslassen. Ich hatte im Vorfeld überhaupt nicht mit so einer Situation gerechnet.
In dieser Nacht gab es einen weiteren gescheiterten Stillversuch und dann sagte ich: „Ich denke, wir sollten aufhören… Ich möchte diese Zeit auch genießen können, zusammen mit Kylie und mit dir!“ Ich fragte ihn: „Wenn ich mich so entscheide, kannst du sie dann akzeptieren?“ Er umarmte mich und sagte, „Ja, das tue ich.“
Und so konnten wir ab Tag 5 des Wochenbetts endlich unser Elternsein genießen. Das Miteinander, die Augenblicke des Fütterns, die auf Babynahrung aus der Flasche umgestellt wurde und unser friedliches Mädchen, das ganz entspannt in unseren Armen trinken konnte. Tränen der Erleichterung und des Glücks kamen zum Vorschein und endlich wurde die dunkelgraue Wolke zu einer rosigen.
Meine Empfehlung an alle Power-Mamas
Stillen ist eine total natürliche Sache. Es ist eine Urkraft, es ist eine wundervolle, wunderbare und fantastische Sache, wenn man es angehen will, aber es klappt nicht immer so ohne weiteres. Man kann sich noch so gut vorbereiten, sich Tipps holen und es sich es noch so sehr wünschen, es gibt keine Garantie, dass es gelingen wird. Und das ist absolut in Ordnung.